XXY, das Drama einer/-s Intersexuellen
Ein Film kommt selten allein: Von der marinen Metaphorik bis zum Namen der Hauptfigur wirkt Lucía Puenzos Langfilmdebüt "XXY" wie der fiktionale Zwilling zu Elisabeth Scharangs Intersex-Doku "Tintenfischalarm" (2006). Bemüht sich Scharangs intimes Porträt des als "Zwitter" geborenen Alex Jürgen recht unmittelbar um Bewusstseinsbildung für die Probleme einer Minorität, ist Intersexualität bei Puenzo weiterverarbeitet zum Motor eines Dramas in rauer Naturkulisse.
Die 15-jährige Alex (Inés Efron) ist an der Küste von Uruguay aufgewachsen, in einer Art sozialer Schutzblase, die ihre Eltern errichtet haben. Nach außen hin ein Mädchen, trägt Alex von Geburt an Merkmale beider Geschlechter, was sich auch vor der lokalen Dorfjugend nicht mehr dauerhaft verheimlichen lässt. Alex' Vater, als Meeresbiologe mit flüssigen Geschlechterübergängen vertraut (er trägt auch - Tintenfischalarm! - den Namen Kraken), ist strikt gegen eine operative "Korrektur" seines Kindes. Die Mutter hingegen lädt einen Chirurgen samt Familie zum "Freundschaftsbesuch" ein.
Während im Hintergrund über ihre Zukunft debattiert wird, brät Alex den grüblerischen Chirurgensohn Alvaro an. Dass der anders reagiert, als man zuerst meinen möchte, gehört zu den inspiriertesten Einfällen eines Drehbuchs, das sonst den Tricks wohlmeinenden Problemkinos (Charaktere zu Sprachrohren für Argumente reduzieren, Mitleid schinden) nicht immer abhold ist. Wie die famose Inés Efron Alex verkörpert und wie Bildregisseurin Natasha Braier die herben Gesichts- und Naturlandschaften in Bilder fasst, wiegt gelegentliche Schematismen aber mit schöner Detailarbeit auf.
Ab Fr im Filmcasino (OmU)