Alles auf Schiene: O’Horten

FALTER:Woche, FALTER:Woche 50/2008 vom 10.12.2008

O steht für Odd, und in der Tat hat Odd Horten etwas von einem Sonderling. Er ist Mitte 60, hat seit bald 40 Jahren als Lokführer bei der norwegischen Eisenbahn gearbeitet und, wie es heißt, kein einziges Mal in all diesen Jahren den Zug versäumt: ein Vorbild an Verlässlichkeit, Bescheidenheit, Pflichtbewusstsein.

„O’Horten“, der Film, beginnt am Tag vor der Pensionierung seines Titelhelden. Wir sehen, wie der allein mit einem Kanarienvogel lebende Mann sich frühmorgens seine Thermoskanne zurechtmacht, eine Decke über den Vogelkäfig breitet, seine Wohnung verlässt und zum Dienst antritt. Darauf folgt eine Zugfahrt, durch endlos lange Tunnel und endlos weite Schneelandschaften – die schönste Bahnszene, seit Michael Caine zu Beginn von „Get Carter“ nach Newcastle fuhr.

Diese wenigen Szenen genügen Regisseur Bent Hamer, einen stimmigen Eindruck davon zu geben, wie O’Horten die letzten 40 Jahre seines Lebens verbracht hat. Und wie sehr er dieses Leben, vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein, gehasst hat. Schon der feierlichen Verabschiedung durch seine Kollegen bleibt O’Horten fern – ungewollt zwar, aber ohne Bedauern. Tags darauf stattet er seiner Mutter Vera, einer ehemaligen Skispringerin, die in einem Altenheim lebt, spontan einen Besuch ab. Ruft, einer plötzlichen Eingebung folgend, einen alten Bekannten an. Verkauft, ohne zu zögern, sein über alles geliebtes Boot, das, Spaß am Rande, wie die Mutter heißt. Und er versäumt, zum ersten Mal, seinen Zug.

Unspektakulär, passagenweise fast wie ein Stummfilm, erzählt „O’Horten“ eine sehr alltägliche Geschichte, die sich perfekt als deprimierendes Melodram vorstellen ließe. Regisseur Hamer hat den schwierigeren Weg gewählt und eine Komödie zum Thema Pensionsschock daraus gemacht.

Ab Fr in den Kinos (OmU im Stadtkino)

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