Doppelte Portion Quereinstieg
Ein Mathematiker und eine Übersetzerin machten eine Schnapsbar auf
Florian Holzer beschreibt seit 1988 jede Woche ein neues Lokal
Ich kenne Leute, die wollen nicht gern ins Stuwerviertel. Ich kenne auch Leute, die sind genau deshalb hingezogen. Der Ruf des Grätzels ist dank 100 Jahren Rotlichts einigermaßen am Boden, und zwar so sehr wie sonst in kaum einem anderen Grätzel. Die Euro-08-U-Bahn öffnete das Dreieck zwischen Handelskai, Lasalle- und Ausstellungsstraße einer gewissen Öffentlichkeit, was sich relativ unmittelbar in einigen Lokalneueröffnungen äußerte. Was wiederum als Zeichen eines gewissen Optimismus verstanden werden darf.
Das jüngste Beispiel dafür ist ein etwas ungewöhnliches Beisl namens Lokativ an der Ecke zwischen Arnezhoferstraße und Wolfgang-Schmälzl-Gasse, das der Mathematiker Thomas Staffelmayr und die Dolmetscherin Jasmina Jankovic vergangene Woche eröffneten. Denn nicht nur, dass sich die beiden einer mehr oder weniger zeitgemäßen Formensprache strikt versagten – das weiße Lokal mit schwarzer Bar, roten Barhockern, bunt gemischten Sitzen und Lampen aus orangem Klopapier erinnert stark an die 80er-Jahre der Ära „Malaria“. Auch das kulinarische Programm ist außergewöhnlich, es wird nämlich vom Schnaps bestritten. Schnaps in knapp 40-facher Ausfertigung: aus Früchten, aus Trester und Wein, aus Kräutern und Gewürzen, aus diversen Getreiden, aus Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark, Tirol, Kärnten, dem Burgenland, aus Deutschland, Serbien, Bosnien, Griechenland, der Türkei, Thailand. Wobei das Programm jetzt nicht irgendwie besonders wäre, es ist sogar erstaunlich un-besonders, wenn man davon absieht, dass von vier Whiskies immerhin zwei aus Thailand kommen.