Enthusiasmuskolumne
Diesmal: die schönste Uhr der Welt der Woche
Wo das Stilempfinden sitzt
Als unlängst ein Meister der Londoner Maßschneidermeile Savile Row in der SZ zu Wort kam, meinte der Mann, der seit Jahrzehnten Jacketts aus feinstem Tuch auf den nicht immer wohlproportionierten Männerleib schneidert, er brauche seinen Kunden nur auf die Füße und aufs Handgelenk zu schauen und schon wisse er „alles“.
Ein schöner Schuh gehört dazu, aber der Sitz des Stilempfindens darf fraglos im oder besser am linken Handgelenk vermutet werden. Selbst gut gewählte und gewandt getragene Garderobe wird ihrer Wirkung beraubt, trägt der Mann eine Swatch zum Monogrammhemd oder verursacht ein fünf Kilo schweres Monstrum von Taucheruhr Haltungsschäden, die selbst der bestgeschnittene Anzug nicht mehr kaschieren kann.Angesichts des Umstands, dass jährlich mehr Uhrenkollektionen auf den Markt kommen als darmflorafreundliche Trinkjoghurts, ist es erstaunlich, wie wenig akzeptable, geschweige denn schöne Armbanduhren es gibt. Es geht dabei aber fast zu wie im richtigen Leben: Etwas wirklich Seriöses, das jünger als vier Jahrzehnte ist, wird man kaum finden.
1962 war ein gutes Jahr – uhrenästhetisch betrachtet. Damals schuf der Schweizer Künstler, Designer und Bauhausschüler eine bis heute gültige Serie von Armbanduhren. „Schlichte Eleganz“ ist ein häufig missbrauchtes Epitheton. Max Bill hat ihm eine Gestalt verliehen, die jedem Handgelenk zur Zierde gereicht.
Aus Anlass des 100. Geburtstags von Max Bill hat der deutsche Uhrenproduzent Junghans nun eine auf je 100 Stück pro Modell limitierte Jubiläumsedition herausgebracht. Abgesehen von kleinen Details für Sammlerfreunde bleibt das zeitlose Design unangetastet. Nur das nun erstmals verwendete Milaneseband macht das Modell mit den 48 kurzen und zwölf langen Strichen noch eine Spur eleganter. Aus Gründen der Eleganz sollte man von der Chronoscope-Variante mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler Abstand nehmen: Drei Zeiger sind genug!