Lieber im sicheren EU-Dampfer als im nationalen Ruderboot
Außenpolitik
Europas Bürger sind lernfähig. Drei Monate mit Bankenkrachs und Börsenpleite katapultieren die Reputation der EU nach dem sommerlichen Irlandtief in ungeahnte Höhen. Eine repräsentative Telefonumfrage unter den notorisch skeptischen Österreichern ergab, dass 78 Prozent in der angeblich so ungeliebten Union bleiben wollen. Sogar in Irland, das mit seinem Nein zum Reformvertrag die Malaise zum Ausdruck brachte, haben die Befürworter plötzlich die Nase vorne. Das bankrotte Island, dessen Rechtsregierung noch vor Kurzem jede Annäherung an die EU stolz zurückgewiesen hat, klopft ganz demütig in Brüssel an.
Der Sinneswandel könnte opportunistischer nicht sein. In stürmischen Zeiten erscheint der gemeinsame EU-Dampfer sicherer als das selbstbestimmte, nationale Ruderboot. In der Krise pflegten sich früher die Bürger eng um ihre nationale Führung zu scharen. Konkurrierende Nachbarn wurden rasch zum Außenfeind. Der Weg von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität, den Franz Grillparzer im 19.Jahrhundet beklagte, war rasch durchschritten. Im beginnenden 21.Jahrhundert gewinnt dagegen das multinationale Projekt Europa. Ein erfreuliches Zeichen historischer Einsicht.