"Brandauer ist der scheußlichste Mensch"
In seinem nun auch als Buch vorliegenden Blog "Klage" suchte Rainald Goetz nach Wahrheit und Klarheit
Kritik: Sebastian Fasthuber
Mir war dann aufgefallen, dass ich wirklich oft tagelang kein einziges Wort laut auszusprechen hatte, außer vielleicht im Supermarkt an der Kasse ein, Danke, wiedersehn'. Aber ich ging auch nicht jeden Tag einkaufen. Beim Fernsehen kannte ich die Leute, deren Gesichter ich sah, konnte ihre Namen aber nicht aussprechen. Er lag mir nur auf der Zunge. Ich begegnete den Menschen eher im Fernsehen als in echt. Beim Lautlesen übte ich das Sprechen, täglich etwa eine Stunde. Ich fand es schon crazy, nahm es aber hin, dass mein Ich fast am Verschwinden war, weil es verschluckt worden war von den dunklen Jahren."
Der Begriff der Krise ist ein zentraler im Werk des deutschen Autors Rainald Goetz (Jg. 1954), oft bis zur totalen Verfinsterung des Hirns und Herzens. Aber auch die Tatsache, dass der promovierte Mediziner, Historiker und passionierte Textmensch immer wieder aufsteht, um die Welt aufs Neue zu erfassen, zeichnet sein Schaffen aus. Zuletzt herrschte sieben Jahre Funkstille, nachdem er 2000 sein großes Projekt "Heute Morgen" abgeschlossen hatte. Zu dieser fünfbändigen Geschichte der Gegenwart zählten u. a. der Roman "Rave", ein Art Erweckungs- und gleichzeitig Leidensgeschichte, die in der Technoszene spielt, oder das Internettagebuch "Abfall für alle".