Mirikitanis Katzen: Film im sozialen Selbstversuch

Michael Pekler
FALTER:Woche, FALTER:Woche 52/2008 vom 23.12.2008

Der New Yorker Filmemacherin Linda Hattendorf ist mit ihrer Privatstudie einer der großen Festivallieblinge des Jahres gelungen. "Mirikitanis Katzen" ist die Dokumentation über einen sozialen Selbstversuch, der im Frühling 2001 begann, als die Regisseurin in Soho zum ersten Mal dem obdachlosen Maler Jimmy Mirikitani begegnete.

Der 1920 in Sacramento geborene Mirikitani wurde - wie sich erst im Lauf der Zeit herausstellen wird - wie hunderttausende andere Amerikaner japanischer Abstammung während des Zweiten Weltkriegs in einem US-Gefangenenlager inhaftiert. Das Motiv des Wüstengefängnisses, das immer wieder in seinen Bildern auftaucht, erscheint wie ein dunkler Kontrapunkt zu den farbenfrohen Katzen, denen sich der Maler leidenschaftlich widmet. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center nimmt die Regisseurin Mirikitani bei sich in ihrer kleinen Wohnung auf und bietet jedwede Hilfe. Wie nebenbei greift Hattendorf tagebuchartig zur Videokamera und bereitet die Lebensgeschichte des mitunter recht starrköpfigen Alten auf. Und das erweist sich als Glückall, denn je mehr die anfängliche Unsicherheit im Umgang mit dem neuen Mitbewohner schwindet, desto größeren Zugang gewährt Mirikitani zu seiner bewegten Vergangenheit: seiner Jugend in Japan und der Rückkehr in die USA, dem Tod der Familie in Hiroshima, den Jahren in Gefangenschaft und dem Leben als Straßenkünstler.

Behutsam verarbeitet Hattendorf die Schilderungen zu einem unaufdringlichen Porträt nicht nur einer Filmemacherin, sondern einer Begleiterin, die sich selbst keine Deutungshoheit anmaßt. Doch das ist auch gar nicht notwendig, denn der alte Mann und seine Bilder sind Geschichte genug.

Ab 25.12., im Filmcasino (OmU)

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