Frisches Blut
Die sonst durchaus gerne fleischessende und ebenso gerne kunstverachtende Volksseele kochte, und Tierschutzorganisationen verfassten ihrerseits Pamphlete, die wenig elegant nach mehr law & order riefen. Animal Spirit forderte wieder einmal Verfassungsgesetze ein, „damit nicht mehr (…) Selbstdarsteller und Perverslinge à la Nietsch (sic!), Theiler & Co vor Strafverfolgung immun sind“. Die Aktion am vergangenen Wochenende fand zwar statt, serviert wurde aber nur ein idealisierter, „vegetarischer Kalbsembryo“, da man trotz aller Bemühungen keinen echten beschaffen konnte. Was lernen wir daraus? Sobald es um Tiere geht, funktioniert Provokation in der oftmals von „Ennui“ geplagten Kunst allemal. Bloß über das eigentliche Anliegen wird nicht weiter nachgedacht. Woher kommen denn wohl die Grundlagen für die kommerziell erfolgreichen und gesellschaftlich akzeptierten Frischzellenkuren? Wohl auch – wie es Animal Spirit nennt – von „abgetriebenen Tierkindern“. Der Schweizer Arzt Paul Niehans wurde in den 1950er-Jahren mit seiner von ihm „Zellulartherapie“ genannten Behandlungsmethode weltweit bekannt, als er damit Papst Pius XII. von einem Magenleiden befreite. Mit dem kleingehackten Gewebe von Embryonen sollten sich laut Niehans neben Organschädigungen die damals mit dem Begriff „Mongolismus“ bezeichnete Trisomie 21 ebenso heilen lassen wie auch die „Fehlentwicklung“ Homosexualität. Die Wirksamkeit dieser Methode ist nicht nur deswegen bis heute umstritten, sondern auch wegen der auftretenden allergischen Reaktionen und der Gefahr, Krankheiten von Tieren auf Menschen zu übertragen. Aber das offenbar ist bei weitem nicht so aufregend wie „perverse Kunst“.