"Keynes hat die Krisen nicht erfunden"
Wirtschaftswissenschaftler Kurt Rothschild spricht über die Börsenkrise 1929 und heute
Gespräch: Richard Wimmer
Im Arbeitszimmer seiner Döblinger Altbauwohnung empfängt Kurt Rothschild (94) zum Gespräch. Zu Beginn streckt seine Ehefrau den Kopf zur Tür herein. Die Russen, sagt sie, lieferten noch immer kein Gas. Rothschild seufzt und rollt mit seinen wachsamen, humorvollen Augen. Es ist nicht die erste Krise, die der 94-Jährige erlebt. Er reibt sich die Hände und bittet um die erste Frage.
Falter: Herr Professor Rothschild, Sie werden heuer 95 Jahre alt, Sie überblicken beinahe ein Jahrhundert voller Krisen. Wo sollen wir beginnen? 1914 oder 2009? Oder bei der Weltwirtschaftskrise 1929?
Kurt Rothschild: Im Jahr 1929 war ich 15 Jahre alt. Ich kann mich erinnern, dass es ein besonders strenger Winter mit über 30 Grad minus war. Mit meinem Vater ging ich auf die vereiste Donau. Die Kälte war jedoch damals - wie heute - nicht die Ursache der wirtschaftlichen Krise. Richtig angekommen ist die Wirtschaftskrise dann zu Beginn der 30er-Jahre, da war ich schon politisch interessiert.