Buch der Stunde
Nummer eins wurde zu klein, das Kind wuchs heraus. Nummer zwei war zu schwer und ließ sich schlecht manövrieren. Wagen Nummer drei ging kaputt, Nummer vier wurde gestohlen. Nummer fünf blieb in Spanien, es lohnte sich nicht mehr, ihn mit zurückzunehmen, Nummer sechs verlor ein Rad, Nummer sieben fährt noch, gerade eben so. Jetzt kann das Kind laufen.“ David Wagner (Jg. 1971) hat nach den beiden Prosabänden „Meine nachtblaue Hose“ (2000) und „Was alles fehlt“ (2002) lange kein Buch mehr publiziert. Jetzt weiß man, warum: In der Zwischenzeit widmete sich der deutsche Autor und Journalist mehr dem Windelwechseln, Vorlesen und Kinderwagenschieben.
Mit dem Text „Kinderwagen“ beginnt er in „Spricht das Kind“ eine Reihe von Betrachtungen und Miniaturen, die er beim Beobachten seiner kleinen Tochter angestellt hat. In einer klaren, bis zur Unscheinbarkeit unprätentiösen Sprache formuliert er Gedanken übers Kindsein, Erwachsensein und Kindgewesensein. Immer wieder kommt er auf seine eigene Beziehung zum Vater zurück und auf die früh verstorbene Mutter, deren Schuhe er als Bub anzieht, während sie noch im Krankenhaus liegt, deren Schokoladenverstecke er systematisch aufspürt und plündert. Fast muss er sich maßregeln: „Die Geschichte mit meinen Eltern ist nicht mehr die wichtigste Geschichte der Welt. Ich habe jetzt eine eigene Firma.“