„Nabucco“: Das Leiden an der Macht
Bei seinem späten Regiedebüt mit Giuseppe Verdis „Nabucco“ haut Jörg Koßdorff, gelernter Architekt und scheidender Intendant der Grazer Oper, noch einmal gehörig auf den Putz des ehrwürdigen Hauses. Da bleibt kein Brett auf dem anderen: Der Orchestergraben wird vernagelt, die Musiker thronen über ihren singenden Kollegen. Der obligate rote Vorhang ist nun ein schwarzes Tuch und wenn dieses am Vorstellungsbeginn zu Boden fällt, erklingt nicht die Ouvertüre der Oper, sondern man ist gleich mitten drin in der ersten Szene.
Koßdorffs Fokus richtet sich auf die Machtverhältnisse: Das Volk lässt er drei Akte lang in dem niedrigen Bühnenraum unter dem Orchesterbalkon ertragen, was die Herrschenden auf der leicht erhöhten Bühnenfront entscheiden. Durch die räumlichen Bedingungen wirkt die erzwungene Passivität beklemmend stark. Erst zu Ende kommen die zum Tode verurteilten Hebräer nach vorne, dann aber zusammengepfercht, alle im gleichen Pyjama. Das stringent verfolgte Regiekonzept wird noch dadurch unterstrichen, indem angedeutet wird, dass die drei Machthabenden gemeinsame Sache machen – ein logischer Exkurs vom Libretto. Herbert Kappelmüllers Kostüme dienen als Vehikel für historische Parallelen, schöner macht sie das nicht.
Wenn Koßdorff die Musik sichtbar über alles erhebt, leidet manchmal deren Qualität, da die Verhältnisse zwischen Orchester und Sängern unausgewogen sind. Mlada Khudoley meistert die brutale Partie der Abigail dennoch beeindruckend leicht, begeisternd singt Stefan Kocán den Zacharias. Keine Schonung gibt es für den Hausherren vom Grazer Premierenpublikum: Er erntet einhellige Buhrufe, Chefdirigent Johannes Fritzsch hingegen heimst viel Applaus ein.
Grazer Oper 28.1., 4.2., 19.30