Jeder schaut auf sich selbst. Dieses Denken gefährdet die EU
Außenpolitik
Wochenlange Straßenschlachten mit Toten und Verletzten. Gewerkschaftsaktivisten, mit Steinen und Rauchbomben bewaffnet, im Angriff auf Parlamentsgebäude. Ein Präsident, dem ein Generalstreik als Vorbote unkontrollierbarer sozialer Eruptionen Angst und Schrecken einjagt. Das ist kein Rückblick auf turbulente Jahrzehnte in Lateinamerika sondern europäische Wirklichkeit zum Jahresbeginn 2009. In Sofia, Vilnius, Riga und Reykjavik setzte die Polizei Tränengas, Gummigeschoße und Schlagstöcke gegen Demonstranten ein. In Frankreich blickt Nicolas Sarkozy ängstlich auf die sich ansammelnde Wut seines Volkes. Noch lange nicht gelegt hat sich der Studentenaufstand in Griechenland. Mit Bankenkrach und Wirtschaftseinbruch kommt der Klassenkampf in Rohform wieder nach Europa.
Am dramatischsten droht die Situation in den neuen EU-Staaten zu werden, dort, wo die Demokratie noch jung ist und das soziale Netz fehlt. Ganze Bevölkerungsgruppen sind dabei, die Hoffnung auf ein besseres, normales Leben zu verlieren. Aber kann man sich Spaniens Zukunft viel besser vorstellen, mit einer für Ende 2009 erwarteten Arbeitslosigkeit von 18 Prozent? Welchen Spielraum hat die Regierung in Irland, wo das Budgetdefizit in den nächsten Jahren auf über zehn Prozent des Bruttonationalprodukts hinaufschnellen wird?