Am Apparat

Telefonkolumne

Politik, FALTER 7/2009 vom 11.02.2009

Verursacht der Vatikan derzeit eine Austrittswelle, Herr Weiss?

Bischof ("Kein Jude starb in einer Gaskammer") Williams und Weihbischof ("Homosexualität ist heilbar") Wagner sorgen für Aufregung in Österreich. Ist eine Austrittswelle aus der Kirche die Folge? Josef Weiss, stellvertretender Finanzdirektor der Erzdiözese Wien, ist für die Kirchenbeiträge verantwortlich.

Herr Weiss, wie viele Mitglieder hat die Erzdiözese Wien?

Die Erzdiözese umfasst Wien, das Wein- und Industrieviertel. Wir zählen 1,3 Millionen Katholiken.

Gibt es derzeit eine Austrittswelle?

Die jüngsten vatikanischen Entscheidungen haben unter Katholiken Verunsicherung und Unverständnis ausgelöst. Manche rufen an und wollen weniger zahlen. Aber es gibt keine große Austrittswelle. Alle Zahlen sind vorläufig, da jeder drei Monate Bedenkzeit hat, den Austritt zu widerrufen. Aber es gibt auch viele ausgetretene Gläubige, die jetzt wieder beitreten, weil sie sich von Weihbischof Wagner angesprochen fühlen.

Gibt es Ereignisse, die große Eintrittswellen zur Folge haben?

Ja. Etwa die aktuelle Wirtschaftskrise. Sie ist für Menschen Grund, ihre spirituelle Heimat wieder aufzusuchen.

Manche Medien rufen Gläubige zum Austritt auf, indem sie sagen: Nehmt Taufschein, Meldezettel, Lichtbildausweis und marschiert aufs Bezirksamt.

Das ist bedauerlich und kurz gedacht. Wenn die Menschen die Kirche verlassen, zahlt der Mensch drauf. Die Kirche übernimmt wichtige Aufgaben im kulturellen und sozialen Bereich. Wird sie schwächer, muss der Staat übernehmen. Kein Österreicher wünscht sich ein Land ohne Kirche.

Wie hoch ist der Kirchenbeitrag?

Er beträgt ein Prozent des steuerpflichtigen Einkommens und kann durch Ermäßigungen reduziert werden.

Wird geklagt, wer nicht zahlt?

Wir setzen viele Maßnahmen, um in solchen Fällen gemeinsame Wege zu finden. Wenn jemand aber andauernd die Zahlung verweigert, kann es zur Klage kommen.

Interview: stefan apfl

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