Kochen in der Krise (2)
Schwere Zeiten, schwere Küche: vom Bauernschmaus zum Hummer-Szegediner
Gerichtsbericht: Werner Meisinger
Evolution ist ein allmählicher Prozess, wissen wir seit Darwin, weil die Aussterberei der weniger Fitten und die optimale Anpassung an neue Lebensumstände Zeit erfordern. Deshalb sind zwei bis drei kühlschrankgesegnete Generationen zu wenig, um Ernährungsgewohnheiten abzustreifen. Der Kalteuropäer isst daher im Winter immer noch gern Sauerkraut, obwohl in Supermarktregalen Spargel und Blattgemüse sprießen - enthält Vitamin C und B, wirkt gegen Skorbut und Beriberi und erhält die Art. Ist auch kulinarisch wertvoll.
Erstens und in seiner nahrhaftesten Form tritt das Sauerkraut im Bauernschmaus auf, was uns gedanklich ins Elsass leitet. Dort wird dieser in seiner vollkommensten Art unter der Bezeichnung choucroute und gern mit dem Zusatz royale zubereitet. Es ist aber immer noch ein Bauernschmaus, wie wir ihn kennen, allerdings meist mit besseren Zutaten. Das Kraut wird mit Elsässer Riesling, Sylvaner, Tokaji oder Edelzwicker aufgegossen. Außerdem sind die Würste vielfältiger und handgemachter als bei uns und die Schweine fetter, weil man sich im Elsass generell auf einen fettbejahenden Lebensstil versteht.