"Das reine Marktmodell ist mit Sicherheit in der Krise"
Das ökonomische Desaster kann politisch positive Folgen haben. Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Colin Crouch
Interview: Robert Misik
Der britische Politiktheoretiker Colin Crouch hat mit seinem Buch "Postdemokratie" eine der "meistbeachteten politischen Schriften der vergangenen Jahre" (Der Spiegel) vorgelegt. Darin analysiert er, wie der Neoliberalismus zur inneren Aushöhlung der Demokratie beiträgt. Der Kollaps der Finanzmärkte ist insofern eine Chance für eine lebendigere Demokratie, meint er nun.
Falter: Die Demokratie ist in der Krise, weil die wirtschaftlich Mächtigen die Politik diktieren - das ist eine der Thesen Ihres Buches. Ändert sich da möglicherweise gerade etwas?
Colin Crouch: Ja, nur wissen wir nicht, wohin das führt. In Ländern wie Österreich wird womöglich der Korporatismus wieder aufleben. In Großbritannien gibt es die Finanzelite - und die ist eigentlich die einzige Elite. Sie ist hegemonial. Und man darf nicht vergessen: Das Modell, das gerade gescheitert ist, bestand darin, durch private Verschuldung die Nachfrage hoch und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Zu dem Modell gibt es bisher keine Alternative. Deshalb würden die politischen Eliten sich wohl am meisten wünschen, dass das Modell repariert wird.