Unterhosen und Unikate: Ein Wiener verfasste die erste Biografie über den Erfinder des Klettverschlusses
Porträt: Wolfgang Paterno
Die erste Kontaktnahme mit der Klettensache verlief kritisch. Juli 1958, ein Tag im Hochsommer. Georg Salcher absolviert in Nyon, einem Dorf am Genfer See, auf halbem Weg zwischen Genf und Lausanne, eine geschäftliche Unterredung. Für den Spross einer Wiener Kaufmannsfamilie ist der Termin zunächst eine Sache der Routine, eine weitere kaufmännische Konsultation unter vielen. Am Tisch im Restaurant Clos de Sadec sitzen Salchers Ehefrau und ein Schweizer Techniker namens Georges de Mestral, damals 49, zerknitterter Anzug, eingedellte Kopfbedeckung, Besitzer eines Citroën 2 CV.
M
an genehmigt sich einen Aperitif, ein erstes geschäftliches Vortasten. "Es handelt sich um Velcro", beginnt der Ingenieur aus der Schweiz - und erntet fragende Blicke. Darauf lockert Georges de Mestral den Gürtel seines Beinkleids. Er zieht den Bund seiner Unterhose hervor, öffnet und schließt diesen, ein unausgesetztes Reißen und Ratschen. Es ist die Blütezeit der Prüderie, ein wildfremder Mann nestelt in Gegenwart einer verheirateten Frau an seiner Unterwäsche! Während de Mestral die Praktikabilität seiner Erfindung vorführt, Schweizer Grundpatent Nr. 295 638 vom 15. März 1954, Anmeldedatum 22. Oktober 1951, im deutschen Sprachraum mittlerweile als Klettverschluss bekannt, zwingt sich die junge Ehegattin, den See und die dahingleitenden Schwäne zu betrachten.