Ein braves Denkmal für Harvey "Milk"
Seit 15 Jahren in Planung und dann gerade rechtzeitig im Kino: Beim US-Kinostart drei Wochen nach der Präsidentschaftswahl wirkte "Milk", Gus Van Sants Spielfilmporträt des 1978 ermordeten Schwulenaktivisten und Politikers Harvey Milk, wie eine politische Grußbotschaft aus der Vergangenheit. Zu sehen sind ein Politperformer, der "hope" und "change" verspricht, und ein Kampf gegen einen Gesetzesentwurf (Proposition 6 statt 8), der die Bürgerrechte von Kaliforniens Homosexuellen einzuschränken droht.
Dem Film, Van Sants straightestem seit "Finding Forrester" (2000), ist sein Sendungsbewusstsein anzusehen: Statt fragmentarischer Schleifendramaturgie, wie zuletzt in "Paranoid Park", setzt es lineare Biopic-Episodik, statt radikaler Tonstudien feierliche Instrumentalmusik und statt bressoneskem Laienspiel eine breite, gewinnende Titelrollen-Performance von Sean Penn. Am stärksten ist der Film (Drehbuch: Justin Lance Black) in der Darstellung Milks als Politpragmatiker zwischen Grassroots-Aktivismus, Agitation und strategischen Allianzen. Dagegen wirkt die Schilderung des kommunalen Lebens in San Franciscos Schwulenviertel Castro zwar liebevoll (Harry Savides' Kamera streichelt die Menschen förmlich), aber in der Zeichnung der Nebenrollen zu forciert niedlich.
Die differenzierteste Figur ist neben Milk ausgerechnet dessen späterer Attentäter, der konservative Stadtrat Dan White, gegeben von Josh Brolin mit unsicherem Lächeln. Sehenswert ist der Film schon allein wegen des Kontrasts zwischen Penns Charismatheater und Brolins unterspieltem Naturalismus, aber eine Spur weniger brav hätte dieses Denkmal trotzdem sein dürfen.
Ab Fr in den Kinos (OF im Haydn)