Charme, Charisma, Faszination oder die Vermeidung des Unangenehmen?
In Roberts Pfallers Buch geht es um die Frage, ob es „um unsere Liberalität etwa gar nicht so großzügig bestellt ist, wie wir spontan gern annehmen“. In der Krimiserie „C.S.I.“ sieht er etwa einen sterilen Blick auf das Verbrechen, der alles ausklammert, was noch im Film noir dessen Wesen ausmachte: die sozialen Milieus, aber auch die Eleganz der Ganoven.
Auch im Rauchverbot sieht Pfaller dieselbe Ideologie am Werk: Was einmal als elegant empfunden wurde, gilt heute als trauriger Schmutz. Eine auf Sauberkeit versessene, „reine“ Vernunft richte sich gegen alles, was der Philosoph Michel Leiris das „Heilige des Alltagslebens“ nennt.
Die interessante Wendung in Pfallers Argumentation liegt darin, dass er die Abscheu vor Charme, Faszination und Charisma auch in der politischen Kunst festmacht. „Das schmutzige Heilige ist aus der aktuellen Kunst verschwunden.“ Mithin folge auch die Kunst einem narzisstischen Impuls: „Man vermeidet Unangenehmes.“
Um stilistische Klarheit bemüht, stellt Pfaller die Aussagekraft alltäglicher Beobachtungen über die Entwicklung philosophischer Begriffe. Auch wenn man vielen Einschätzungen Pfallers nicht folgen möchte, vermag er dennoch, dumpfe kulturpessimistische Instinkte luzide auf den Punkt zu bringen. MD
Robert Pfaller: Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft. Symptome der Gegenwartskultur. Fischer, 336 S., € 12,95