Hundert Jahre Zeitausgleich

Befindlichkeitskolumne

Steiermark, FALTER 9/2009 vom 25.02.2009

Stadtmatratzen 1 (town bitch)

Lissabon ist zum Beispiel uneitel und nicht so aufgeregt wie Barcelona, während Brüssel ein bisschen hochnäsig ist. Und jetzt der Graz-Bezug: Man trifft ja (Ist das nur im Theaterkontext so oder vielleicht auch in anderen Kontexten? Das müsste man mal kontextunabhängig definieren!) überall Menschen, die irgendwann mal was mit jemandem aus Graz hatten. Eine davon sagte neulich (oder auch: letztens), Graz sei irgendwie das Gegenteil von irgendwas anderem, ich glaube Brighton, nämlich total undersexed und overfucked. Das ist eine gute Kombination. Vor allem undersexed finde ich sympathisch, man denkt erst mal an Asexualität, die eine ziemlich angenehme Eigenschaft sein kann. Auf einschlägigen Webpages werden wir darüber aufgeklärt, dass die totale Sexualisierung der Welt vor allem an ihren Metaphern sichtbar wird. An erster Stelle: Sex ist wie Feuer. Jeder trägt einen Funken in sich, der muss nur entfacht und dann gut aufbewahrt werden, vorzugsweise in der Ehe. Wir können jetzt ansatzweise erahnen, worüber der Katastrophenschutz noch immer rätselt: Was nämlich am letzten Donnerstag in der Strauchergasse 15 passierte. Am Ende jedenfalls warf ein Bewohner eine brennende Matratze aus dem Fenster und überließ sie ihrem Schicksal. Graz passte auf: Fünf Einsatzwägen mit 21 Mann rückten aus und konnten rechtzeitig löschen, bevor die Flammen übergriffen. So bleibt Graz undersexed, nächstes Mal werden wir uns mit der Frage nach dem overfucked beschäftigen.

Dramatiker Johannes Schrettle ist zwar kaum in Graz, dennoch weiß er immer was von dort zu berichten

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