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Kurz besprochen
Roman
Margaret Atwood: Moralische Unordnung. Roman. Deutsch von Malte Friedrich. Berlin Verlag, 256 S., € 20,50
Irgendetwas stimmt nicht mit dem Haus, das Nell verkaufen will. Für die herbeigerufene Kristallexpertin ein klarer Fall: „Wesenheiten“ spuken herum, sie vertreibt sie mit einem Büschel Salbei. Das schwule Pärchen, das das Haus schließlich übernimmt, ist entzückt von der bizarren Geschichte. „Ich kann davon erzählen, oder ich kann es begraben. Letztlich werden wir alle zu Geschichten. Oder zu Wesenheiten. Vielleicht ist es dasselbe“, schließt die Erzählerin.
Das Ende dieser Episode ist typisch für Margaret Atwoods elegant humorvollen Roman, in dem sich die einzelnen Erzählungen zur Biografie Nells fügen, einem Alter Ego der kanadischen Booker-Prize-Trägerin. Nells Lebensentwürfe pendeln zwischen dem Leben als Hausfrau im schmucken Eigenheim und dem einer trockenen Intellektuellen. Sie wird versuchen, beides unter einen Hut zu bringen, führt eine wilde Ehe inmitten einer stockkonservativen Gesellschaft, arbeitet gleichzeitig als Universitätsdozentin, Verlagslektorin und Landwirtin, scheitert oft, schafft immer wieder Neuanfänge. Die 69-jährige Atwood beschreibt ihr unkonventionelles, resolut selbstgestaltetes Leben mit Verve und Selbstironie. Sie porträtiert sich selbst in verschiedenen Lebensphasen, die Menschen, die sie umgeben – und die kanadische Gesellschaft ihrer Zeit. G E O R G R E N Ö C K L