U2 oder das Recht, sich lächerlich zu machen
Auf dem neuen U2-Album „No Line on the Horizon“ ist die Gitarre unterbeschäftigt, der Pathosfaktor gewohnt hoch
Plattenkritik: Sebastian Fasthuber
Der Mann mit dem Koffer hat heiße Ware dabei. Ein Vertreter der englischen Plattenfirma von U2 ist für ein paar Stunden in Wien, um Presseleuten deren neues Album vorzuspielen – „exklusiv“. Dabei sind solche Listeningsessions mittlerweile eigentlich aus der Mode geraten: Längst gibt es personalisierte Internet-Streams, die man nur anhören, aber nicht runterladen kann, weswegen auch niemand fürchten muss, dass die Musik vor Veröffentlichung im Netz auftaucht. Es passt zu Bono & Co, dass sie dennoch diesen etwas altmodischen Weg beschreiten. Never change a winning team, lautete immer schon die Botschaft des treu zusammenstehenden Quartetts.
Wahrscheinlich wären die Fans inzwischen auch zufrieden, wenn – wie bei den Stones – nur alle heiligen Zeiten ein Studioalbum erschiene, aber etwa alle fünf Jahre rappeln sich U2 dann doch noch auf. Tatsächlich ist „No Line on the Horizon“ sogar ihre ambitionierteste Platte seit einiger Zeit. Die elf Songs nehmen Anleihen bei verschiedensten Stilen und Genres. Elektronik und Orgeln spielen eine prominente Rolle, nur an seinem Stamminstrument ist Gitarrist The Edge etwas unterbeschäftigt. Leider entsteht aus den vielen kleinen Ideen nichts Größeres: Die Songs wirken zusammengeflickt, eingängige Refrains und Melodien sind Mangelware.
Während langatmiger Passagen unterhalten dafür die Texte von Bono, dessen legendäres Pathos intakt ist: „Every generation gets a chance to change the world / Pity the nation that won’t listen to your boys and girls / ’Cos the sweetest melody is the one we haven’t heard.“ Immerhin scheint der gute Mann über Selbstironie zu verfügen, wenn er zwei Zeilen später gesteht: „The right to appear ridiculous is something I hold dear“.
U2: No Line On the Horizon (Universal)