Wer fühlen will, muss leiden: Schönheit, Schmerz und Liebeslieder für den luftleeren Raum
iTunes macht es sich leicht und schreibt bei Soap&Skins Debüt „Lovetune for Vacuum“ einfach „Unclassifiable“ in die Genrebezeichnung. „Unclassifiable“ aber, das sagt zuerst einmal gar nichts – ganz im Gegensatz zu den 13 Songs dieses in dreijähriger intensiver Arbeit entstandenen Albums.
Diese Songs berühren und verstören, verzaubern, lullen ein und schrecken ab; sie sind von unglaublicher Schönheit und fast beängstigender Tiefe; zugleich fragil und ein Fels in der Brandung, düstere Dramen und unwiderstehlicher Pop. Einer eigenen Soundästhetik verpflichtet, erweist sich Soap&Skin als Meisterin der Reduktion, des Spannungsaufbaus, der Dramatik.
Im Zentrum stehen das Klavierspiel und ihre wandlungsfähige Stimme, deren Ausdrucksspektrum von kaum wahrnehmbarem Flüstern bis zu durchdringendem Heulen reicht, die einmal ätherisch im Raum schwebt, um dann wieder alles zu erschüttern. Dazu kommen meist dezente, bisweilen auch abenteuerlustig eingesetzte Elektronik und hier und da ein paar Streicher.
Paradies und Apokalypse scheinen lediglich einen Steinwurf voneinander entfernt zu sein; als realistisch erscheint der jungen Musikerin aber wohl nur Letzteres. Die Liebe steckt zwar als Hoffnungsschimmer im Plattentitel, doch diese Liebe, so die bittere Erkenntnis, kann nur im luftleeren Raum landen.
Weltschmerz also? Keinesfalls. Den bekommt man etwa vom knapp 50-jährigen Morrissey serviert, der konsequent das Herz eines leidenden Teenagers auf der Zunge trägt; der tatsächliche Teenager Soap&Skin dagegen ringt, beseelt von großer Sehnsucht, mit Emotionen, die eine ganz andere Tiefe haben.
„Lovetune for Vacuum“ sperrt sich gegen Vergleiche, Verortungen, Erklärungen. Es ist ein massiver Brocken, ein perfekt durch komponiertes Stück Musik – und schlicht eines der herausragenden Debüts der jüngeren Popgeschichte. GS
Soap&Skin: Lovetune for Vacuum (Pias, ab 6.3.).