Der Preis des Zauderns: Europas Krise ist größer als jene der USA
Außenpolitik
Nein, die Rede ist nicht von einer Revolution in Lateinamerika, sondern von der soliden Bundesrepublik Deutschland. Dort hat kein Gregor Gysi oder Oskar Lafontaine die Macht übernommen, es regiert Angela Merkel mit ihrer stramm antikommunistischen CDU. Mitte Februar hat die deutsche Bundesregierung trotzdem ein Gesetz zur Verstaatlichung von Banken inklusive Enteignung der Aktionäre vorgelegt. Die Zustimmung des Bundestages gilt als sicher.
Seit Beginn der Finanzkrise sind so manche wirtschaftsliberale Dogmen über Bord gegangen. Trotzdem reibt man sich die Augen. Ein Enteignungsgesetz in dem Land Europas, wo nach dem Fall der Mauer mit Feuereifer "abgewickelt" und privatisiert wurde, stellt das Ende eine lange Phase der Vergötterung des Marktes dar. Auch in den angelsächsischen Heimatländern des Neoliberalismus, Großbritannien und den USA, sind staatliche Übernahmen im Finanzbereich inzwischen die letzte Rettung. Als vorübergehende Notmaßnahmen, wird allseits beteuert. Wie schnell sich jedoch die Regierungen aus Direktorien und Aufsichtsräten wieder zurückziehen, kann niemand sagen. Bei dem Tempo, mit dem die Finanzkrise sich ausbreitet, könnte Europas Bankenwelt Ende 2009 so ähnlich aussehen wie Ende 1979. Mit zahlreichen Staatsbanken, strenger Regulierung und bewusster Steuerung durch die Regierungen oder die EU.