Vom Zerfall der Theaterwelt
Peter Konwitschny lässt "König Lear" am Schauspielhaus verrecken. Gar nicht schlecht!
Theaterkritik: Hermann Götz
Am Ende treten sie in Alltagskleidern zur Verbeugung an, in der Mitte ein kleiner rundlicher Udo Samel, bescheiden, fast verschämt, der Lear ist schon ganz von ihm abgefallen. Bis dahin ist's ein weiter Weg. Vier Stunden lang nimmt sich Peter Konwitschny Zeit, um den Zerfall der Welt, wie ihn William Shakespeare in seinem "König Lear" verdichtet, aufs Theater zu übertragen.
So lange Lear noch Herr seiner selbst und des Geschehens ist - oder zu sein glaubt - läuft das Ensemble im Renaissance-Look über die Bühne. Für einen Teil des Publikums wurde eine Tribüne in den Bühnenraum gestellt, durchs Parterre führt ein Laufsteg. Lear steht in der Arena und darf dort seine Show abziehen: Theater auf dem Theater. Die Situation erinnert an Shakespeares historisches Globe Theatre und ist doch auch durch die Handlung motiviert: In einem tragikomischen Akt dankt Lear als König ab, um seinen Töchtern das Reich zu überantworten. Zuvor verlangt er von ihnen einen rhetorischen Liebesbeweis: alles Komödie. Aber Cordelia (Sophie Hottinger), die Jüngste und Lears Liebste unter den Töchtern, macht da nicht mit. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, als Lear die Spielverderberin verstößt.