Der Wettlauf um Agrarland bringt den Neokolonialismus
Außenpolitik
Vor einem Jahr gab es von Haiti bis Indonesien Massenproteste gegen die explodierenden Lebensmittelpreise, die in ärmeren Ländern die Existenzgrundlage der Bevölkerung aushöhlten – heute gehen empörte Bürger in reicheren Ländern wegen der Finanzkrise, die ihre Ersparnisse und Arbeitsplätze bedroht, auf die Straße: Der Schwerpunkt hat sich verlagert. Doch der Preisschock hat langfristig eine Entwicklung ausgelöst, die für das Verhältnis zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern ebenso tiefgreifende Folgen haben wird wie die derzeitige Wirtschaftskrise. Es hat ein gefährlicher Wettlauf um Agrarland begonnen, der stillschweigend eine moderne Art des Kolonialismus etablieren könnte.
Vergangene Woche erhielt König Abdullah von Saudi-Arabien ein symbolisches Geschenk: Reis aus Äthiopien, die erste Ernte aus einer umstrittenen Investition des ölreichsten Landes der Welt in einem der ärmsten Länder Afrikas. Saudi-Arabien ist dabei, seine teure, wasserintensive Landwirtschaft ins Ausland zu verlagern. Anstatt sich auf den internationalen Nahrungsmittelmarkt zu verlassen, sichern sich die Saudis ihre Versorgung durch den Ankauf von Agrarland in anderen Ländern – vom Sudan bis Ägypten, von der Türkei bis zur Ukraine. Oder eben in Äthiopien, wo elf Millionen Menschen durch das Welternährungsprogramm der Uno vom Hunger bewahrt werden, während saudische Investoren Reis für den Markt daheim anbauen.