Kritik
Kunst abseits gewohnter Regelwerke
Jean Dubuffet hat 1945 den Begriff Art Brut geprägt. Für den französischen Maler war das unreflektiert Geschaffene, wie das kreativ Entäußerte von Geisteskranken, Kindern oder Dilettanten, das Signum wahrer Kunst.
Shinichi Sawada sind Etikettierungen wie diese vermutlich egal, wenn er seinen geheimnisvollen Geschöpfen aus Ton Gestalt gibt. Auch Takashi Shuji scheint all das nur wenig zu kümmern. Zu sehr nehmen ihn die Objekte seiner unmittelbaren Umgebung gefangen, die er in Pastellkreidezeichnungen festhält. Hidori Motooka will alle Züge, die er kennt, auf einem einzigen Blatt Papier vereinen. Moriya Kishaba begeistert sich für Schriftzeichen, obwohl er deren Bedeutung nicht kennt. Und Eijiro Miyama war früher Lastwagenfahrer. Seit etwa zehn Jahren radelt in den irrwitzigsten Kostümen durch das Chinesische Viertel von Yokohama.
Die Ausstellung „Art Brut aus Japan“ zeigt 15 Protagonisten dieser auch als zustandsgebunden definierten Kunst. Nicht ein gemeinsamer Stil verbindet das Schaffen dieser Künstler, sondern die Tatsache, dass sie alle Außenseiter der Gesellschaft sind. Sei es, dass sie sich deren Konventionen bewusst entziehen oder aufgrund ihrer psychischen oder geistigen Verfassung gar nichts damit anzufangen wissen. Sie sind alle Autodidakten, ihr jeweiliges Schaffen ist höchst individuell und unbeeinflusst von etablierten Stilen.
Friedensreich Hundertwasser, der das Kunsthaus Wien entwarf, soll sich sehr für die Art Brut interessiert haben. 1995 widmete die Institution Jean Dubuffet eine Ausstellung. Die hervorragende Schau, die auch Filme zur Arbeitsweise der ausgestellten Künstler zeigt, ist daher nirgendwo besser untergebracht als hier. MJ
Kunsthaus Wien, bis 18.10.