Vor 20 Jahren im Falter??
Wie wir wurden, was wir waren
Kritik
Der New Yorker Off-Off-Gruppe Nature Theater of Oklahoma gelang im Kasino voriges Jahr ein Überraschungserfolg. Der Auftakt eines auf zehn (!) Teile angelegten Musicalepos über die ganz normale Lebensgeschichte einer jungen Frau wurde zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen. Wer Zweifel daran hatte, ob das Konzept ein zweites Mal funktionieren würde, erlebt nun abermals eine Überraschung: "Life and Times - Episode 2" ist noch besser als der erste Teil.
Basis sind nach wie vor Telefongespräche mit der 34-jährigen Musikerin Kristin Worrall, die ziemlich eins zu eins auf die Bühne übertragen werden. Geändert haben sich Besetzung, Musik und Bewegungsvokabular. Die Rosas-Tänzerin Fumiyo Ikeda, die diesmal im Ensemble ist, bewegt sich meist deutlich unter ihrem Niveau: Hatten die Oklahomas in Episode 1 mit Gymnastik-Codes aus Spartakiaden experimentiert, bezieht Episode 2 auf dieser Ebene seinen Witz und seine Spannung auf dem Widerspruch zwischen der primitiven Zeichensprache von High-School-Choreografien und der enormen Präzision, mit der sie umgesetzt werden. Ähnliches gilt für die Musik, die diesmal aus der Konserve kommt und nach billigem Pop-Muzak klingt. Aber auch das täuscht: Immer wieder kann man hören, wie genau und subtil die Musik auf das Libretto abgestimmt ist.
"Episode 2" ist eine Art amerikanisches "Frühlings Erwachen". Je älter das Mädchen wird, desto dunkler wird der Grundton der Aufführung; ausgerechnet jene Szene, die von ihrem ersten Kuss handelt, wird von tiefer Melancholie begleitet. Einen so ganz und gar eigensinnigen, so hochkomischen wie tief bewegenden Theaterabend hat man seit "Episode 1" nicht erlebt. Bis 21. November stehen noch sieben Vorstellungen auf dem Spielplan. Man sollte sie stürmen. WK
Burgtheater-Kasino, Fr, So, Mo, Di, Do 20.00