Enthusiasmuskolumne
Auferstanden aus dem Vitrinengrab
Diesmal: Die beste Ausstellungsgestaltung der Welt der Woche
Mit dem Wasserschlauch auf das Fenster spritzen und den Besuchern Blutbeutel in die Hand drücken zum befreienden Sudeln: Im Münchner Offspace Aktionsraum 1 wurde 1969 alles durchexerziert, was die Kunst während der nächsten Jahrzehnte beschäftigen würde - die ästhetische Kraft des Marginalen und die Bereitschaft des Publikums, interaktiv den Job der Künstler zu übernehmen.
Das Mumok widmet dem Raum derzeit eine Ausstellung; dessen Gründer Alfred Gulden wird einen Vortrag halten (31.3., 19 Uhr).
Ein Gutteil der Konzeptpapierchen, Einladungskarten und Videodokus jener Zeit ist aufgearbeitet. Selten aber gelingt es, in Ausstellungen das Glücksgefühl einer Kunstrevolution zu vermitteln. In wenigen Wochen wollte man vom Altar fegen, was jahrhundertelang verehrt wurde.
Die Ausstellungsgestalter Holodeck Architects (Marlies Breuss, Michael Ogertschnig, Christian Rottensteiner) suchten eine Lösung für das Problem, dass einmalige Ereignisse in der Dokumentation Staub ansetzen: Der Rausch und die Selbstverletzung der Aktionsraum-Gäste Hermann Nitsch und Günter Brus wirken in einem Vitrinenwald einschläfernd.
Die Holodecks arbeiten zwar auch mit Vitrinen; diese hängen aber an Stahlseilen von der Decke, als würde die Historie zu schweben beginnen. Die 50 Kästen der 50 Aktionen schlängeln sich wie ein Zug durch den Raum und folgen so dem Zeitstrom, der durch den Abbruch der Fabrikshalle beendet wurde.
Alles ist wieder im Fluss. Ein Ereignis geht in das andere über, ohne dass die archivarische Ordnung zerstört würde. Von einem anarchistischen Manifest springt man zur Notiz, dass ein Künstler wegen Drogenbesitzes an der Einreise nach Deutschland gehindert wurde.
Schließlich ließen sich die Gestalter noch eine eigene Arte-povera-Aktion einfallen: Sie recycelten die Baustoffe vergangener Mumok-Schauen. Komm wieder, Sommer!