Kommentar
Trouble Over Tokyo und das verlogene Mitgefühl
Pop & PC
Katastrophenhilfe oder Betroffenheitsindustrie, das ist die Frage, wenn am 4. April die Doppel-CD "Songs for Japan“ erscheint. Die Erlöse sollen dem japanischen Roten Kreuz zugutekommen, von Eminem bis Justin Bieber und von U2 bis Lady Gaga machen auch alle mit. Wie geschmackssicher Songtitel wie "Shelter Form The Storm“ oder "Firework“ in diesem Zusammenhang sind, hat sich offenbar niemand gefragt; ebenso wenig, was John Lennons Atheistenhymne "Imagine“ mit dem japanischen Atomunglück zu tun hat.
Umso genauer wurde in den vergangenen Wochen Christopher Taylor unter die Lupe genommen. Der in Wien lebende englische Popmusiker brachte sein aktuelles Album am 18. März in Deutschland heraus. Taylor ist ein Meister gefühlvoll-bombastischer Popmusik mit elektronischem Unterbau, die Veröffentlichung war mit hohen Erwartungen verbunden. Doch dann kam der Tsunami, und mit einem Mal galt Taylor vielen deutschen Medien als rotes Tuch; Plattenkritiken sind teilweise nicht erschienen, diverse Radios haben seine Musik aus dem Programm genommen.
Taylors Vergehen ist ein dreifaches: Sein Künstlername lautet Trouble Over Tokyo, sein Album heißt "Hurricane“, die zugehörige Single mitsamt aufwendig selbstproduziertem Video "Kryptonite“. All das gilt dieser Tage als unpassend bis moralisch problematisch; man könne sich angreifbar machen, heißt es. Das klingt nach Mitgefühl, ist in Wirklichkeit aber nichts anderes als falsch verstandene politische Korrektheit, die Taylor selbst jetzt eben unter "Shit happens“ verbuchen muss. Seinen vor Jahren gewählten Künstlernamen gedenkt er freilich auch weiterhin zu tragen. Was denn auch sonst?