Kurz und klein
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Er trägt den übergroßen Titel mit Fassung: "Abendland“. Nikolaus Geyrhalter meint ihn gleichzeitig ganz bescheiden - sein Film zeigt verschiedene europäische Schauplätze bei Nacht - und im vollen Wortsinn eines Zivilisationsprojekts, das "Land“, also eingegrenzt, ist und womöglich schon im Dämmer liegt. Gemeinsam mit seinem Schnittmeister und Dramaturgen Wolfgang Widerhofer legt Geyrhalter zwischen Abschiebeflug und päpstlicher Verkündigung, Einäscherung und Polizeiübung ein Vexierbild der europäischen Gegenwart an, dessen Konturen sich mit jedem Drehort ein Stück verschieben.
Ein mögliches Kernprogramm impliziert trotzdem schon einer der ersten Schnitte: von der Grenzüberwachung mit Joystick-geführter Kamera zur Frühgeborenenstation eines Krankenhauses. Biopolitik sagt sich leicht, ist aber nicht der schlechteste Begriff für die permanenten Wartungsarbeiten an wohlstandseuropäischen Populationen, die der Film skizziert: Manches Leben wird draußen gehalten, anderes gehegt und kultiviert, beides mit ingeniösem Know-how und bemerkenswerter Routine. Und hinterher wird aufgeräumt.
Während sich zwischen diversen Überwachungssituationen schnell faszinierende Vergleichbarkeiten im Detail herstellen lassen, sind die gegenseitigen Bezüge zwischen anderen Bildern hier weit offener organisiert als in früheren Geyrhalter-Arbeiten. Unter den Fragen, die dieser sehenswerte Film aufwirft, sind deshalb auch einige zu seiner eigenen Programmatik und Sujetwahl: zum Beispiel, warum dieses "Abendland“ in Sachen Freizeitkultur Massenveranstaltungen wie Oktoberfest oder Riesenrave favorisiert. Wären Thermenhotels oder Gürtelbogenlokale nicht mindestens genauso signifikant dafür, wie Europa sein Genießen organisiert?
Ab Fr im Stadtkino Wien