Wenn die politische Mitte den Pseudotabubruch träumt
Ein Band, der vor lauter klugen Analysen überquillt: das Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung
Rezension: Robert Misik
Blogs werden im Internet veröffentlicht, ein Beitrag ist schnell geschrieben und mit einem Klick in die Welt gesetzt. Oft haben sie natürlich auch etwas Flüchtiges. Das Medium Buch ist dagegen so ziemlich das Gegenteil. Bäume müssen gefällt werden, die Texte werden im optimalen Fall mit viel Bedacht geschrieben und redigiert, dann wird gedruckt, gebunden, und dann bringen stinkende Lkw die Bücher zu den Kunden. Hier sei aber etwas empfohlen, was das Medium Blog und das Medium Buch auf das Schönste verbindet. Das Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung 2010.
Das Universitätsinstitut unter der Führung des ebenso klugen wie engagierten Professors Franz Walter betreibt nämlich seit einiger Zeit auch ein Weblog. Seminararbeiten und Forschungen von Nachwuchswissenschaftlern verstauben so nicht in den Regalen, sondern werden zu kurzen, pointierten Kommentaren und kleinen, aktuellen Studien verdichtet. Und nun haben die Autoren eben ein Jahrbuch herausgebracht, das über weite Strecken aus den Blogbeiträgen, aus Beiträgen für Zeitungen oder aus eigens für das Jahrbuch verfertigten Stücken besteht. Das Buch quillt förmlich über vor klugen und luziden Analysen über deutsche und europäische Parteien, über die Probleme der Medien- und "Postdemokratie“, neue Partizipationsmodelle, Protestkulturen oder die Sprache des Populismus.