Stadtrand
Weg ist sie: Elegie auf einen Mottenschwarm
Urbanismuskolumne
Wie viele schöne Augenblicke habe ich in dir verbracht. Sehnsüchtig gewartet, ungeduldig mit dem Fuß gestampft, vor Kälte gezittert, vor Hitze geschwitzt. Durch dich konnte ich mit den Sternen sprechen und Sterbenden ganz nahe sein. In deinem schmutzigen Buch lag der Schlüssel zu den Leidenschaften und zur nächsten Unterkunft. Wie ärgerte ich mich darüber, wenn die gesuchte Seite fehlte und wenn jemand bereits da war, unverschämt die Verweildauer in die Länge ziehend. Von dir lernte ich Geduld und das Glück, eine geliebte Stimme zu hören. Einsam leuchtetest du in der verschneiten Winterdämmerung, warst umschwärmt von Motten in der Sommernacht. Wie vielen Menschen hast du die Rückkehr in die Heimat ermöglicht, nie gefragt, in welchen Sprachen sie fluchen, flennen und flehen. Nur manchmal hast du Nein gesagt. Traurig und unbemerkt baumelte sie zuletzt herunter, die Nabelschnur zur Welt. Nun haben sie dich gepackt und weggeschleppt, achtlos und unbewegt. Keiner braucht dich mehr. Adieu, Telefonzelle!