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Erosion der Demokratie
In der aktuellen Nummer der Vierteljahreszeitschrift Europäische Rundschau ist ein Text besonders lesenswert, der der langjährigen politischen Beobachterin und Journalistin Trautl Brandstaller.
"Erosion der Demokratie“ betitelt sie ihren Aufsatz "über den Niedergang der politischen Eliten und den Aufstieg der Geschäftemacher“. Brandstaller ordnet das allgegenwärtige Gefühl der Politikverdrossenheit, dieses "So kann es nicht weitergehen“, historisch und gesellschaftspolitisch ein. Als Ursache nennt sie die "Schubumkehr zwischen Politik und Ökonomie“, die sie - wie der britische Politologe Colin Crouch in seinem Buch "Postdemokratie“ - im Jahr 1989 festmacht. Die neue Marktideologie, in der der Shareholder das Sagen hat und die Rendite alles ist, verändert auch die Politik, "an Stelle der Inhalte tritt die Form“. Politiker-Sein wird zum Job, die Folge ist eine "Refeudalisierung“ (Colin Crouch) der politischen Klasse - und die Anfälligkeit für Korruption, weil Parteien sich nicht mehr über Mitgliedsbeiträge finanzieren können, sondern andere, illegale Wege finden müssen.
Für Brandstaller ist auch die Gleichsetzung der Begriffe "Lobbyismus“ und "Interessensvertretung“ ein Signal für den Niedergang des politischen Systems im Zuge des Primats der Ökonomie. Denn Lobbyisten vertreten partikulare Interessen einer Firma oder Branche, Interessensvertreter hingegen seien Repräsentanten von Bevölkerungsgruppen.
Was ist die Lösung? Brandstaller plädiert für eine "neuerliche Schubumkehr“, diesmal von der Ökonomie zurück zur Politik, um die "hoffnungslose Unzufriedenheit“ (der deutsche Soziologe Wilhelm Heitmeyer) der Bevölkerung zu bekämpfen.
Paul Lendvai (Hg.): Europäische Rundschau. Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, 39. Jahrgang, 2/2011, € 9,-