Musiktheater Kritik
Kostüm-Epos mit toller Musik und guten Sängern
Einmal noch ist an der Staatsoper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ von Kurt Weill und Bert Brecht zu sehen, dem Vernehmen nach soll die Neuproduktion im September wiederaufgenommen werden. Ingo Metzmacher sorgte mit guten und teils Wagner-geeichten Sängerdarstellern, voran die temperamentvolle Elisabeth Kulman (Lady Begbick) und Parsifal-Tenor Christopher Ventris (Jim Mahoney) für eine überzeugende musikalische Umsetzung. Ja, das ist ein Meisterstück und eine wichtige Oper der späten 20er-Jahre, die zwischen Jazzigem (mit Saxofonen und Slide-Guitar), Chanson, großem Ensemble und Florestan-artiger Arie changiert und in einem Orchester-Trauermarsch ausklingt.
Aber: Während man den "Alabama“-Song kaum besser und differenzierter musizieren und singen kann als Angelika Kirchschlager und lauter profilierte Solistinnen, so verströmten Jenny Hill und Damenbegleitung szenisch den Charme harmloser "Schoolgirls“. Jenny erschien dann auch mit abenteuerlicher Perücke und Kostümierung, die sie womöblich stimmlich behinderte. Die Inszenierung von Jérôme Deschamps mit Brecht-Vorhängen zwischen den Szenen und in den bunten Kostümen von Vanessa Sannino ging eher daneben, der Regisseur wollte das "epische Theater“ wie gefordert ohne "Gefühlsduselei“ und psychologische Feincharakterzeichnung auf die Bühne stellen. Bei Brechts Lehrstück-Agitprop machen alle Gefühle wie Zuneigung oder Freundschaft im Kapitalismus vor Geld halt, das ist etwas platt, wenn diese Kapitalismuskritik zahm bleibt, ein behübschtes Geschehen zeigt, und wenn dem großen Heinz Zednik bei seiner Sprechrolle als Regisseur fad bleibt. Das Staatsopernorchester bietet exzellenten Wohlklang, seltener Kanten und Schärfen, die diese Partitur auch hätte. HR
Staatsoper, So 19.00