Verforscht
Die interessanteste Tier-Schlagzeile der letzten Woche war eindeutig "Hobby-Zoologe entdeckt neue Wespenart". Nein, ich schätze die Wissbegierde der Öffentlichkeit an neu beschriebenen Insektenarten nicht falsch ein.

Zeichnung: Bernd Püribauer
Die interessanteste Tier-Schlagzeile der letzten Woche war eindeutig „Hobby-Zoologe entdeckt neue Wespenart“. Nein, ich schätze die Wissbegierde der Öffentlichkeit an neu beschriebenen Insektenarten nicht falsch ein. Interessant an dieser von vielen Zeitungen genau so übernommenen Headline ist die Einordnung einer biologischen Wissenschaft ins Reich der Steckenpferde. Wie darf man sich diese Freizeitbeschäftigung vorstellen? So wie beim Biedermeiermaler Carl Spitzweg, wo kauzige Sonderlinge auf romantischen Wiesen Schmetterlinge fangen? Kann der interessierte Laie einen Volkshochschulkurs „Wespen bestimmen leicht gemacht“ belegen? Nach kurzer Recherche entpuppt sich der „Hobby-Zoologe“ Ewald Altenhofer als ein promovierter Biologe, der mehr Fachpublikationen vorweisen kann als die meisten „Professoren“ an Fachhochschulen.
Was erhebt – oder erniedrigt – also die Erforschung unbekannter Lebewesen zur Freizeitgestaltung? Wikipedia hilft mit einer Definition weiter: „Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diejenigen, die sich in ihrer Freizeit mit einem Fachgebiet befassen, Amateure bzw. Ehrenamtliche genannt – als Gegenstück zum beruflichen Fachmann, Profi.“
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Diese Zweiteilung der Welt in bezahlte Fachleute und unbezahlte Dilettanten (lat.: diletare, dt.: sich erfreuen) wirkt in Zeiten der Patchwork-Jobs und der Generation Praktikum seltsam unzeitgemäß. Dabei ist die Situation, dass Forscher für ihre Arbeit bezahlt werden, eine relativ junge Erscheinung. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war es völlig normal, sich mit naturwissenschaftlichen Fragen ausschließlich in der Freizeit zu beschäftigen. Goethe war Berufsbeamter, der Mathematiker Pierre de Fermat arbeitete als Richter, und Benjamin Franklin, Erfinder von Blitzableiter, Schwimmflossen und Bifokalbrille, musste lange Zeit seinen Lebensunterhalt vor allem als Drucker verdienen. Niemand würde heute diese Personen deswegen als Hobbyforscher bezeichnen.
Wer – in seiner Freizeit – seltene Tierarten entdecken will, der ist am 6. April zu einer Aktion des Wiener Forstamts eingeladen: Durch jahrhundertelange Bewirtschaftung entstand im Mukental (Döbling) eine interessante Kulturlandschaft, die Smaragdeidechsen, Steppen-Sattelschrecken und Zebraschnecken einen Lebensraum bietet. Dieses Biotop will gepflegt, seine Bewohner entdeckt werden. Treffpunkt für Hobbyforscher beim Heurigen Sirbu um zehn Uhr.