Neu im Kino

Direct Cinema im Bierzelt: Arbeitstier "Schlagerstar"

JOACHIM SCHÄTZ
LEXIKON, FALTER 22/13 vom 29.05.2013

Vor einer Almhütte posiert Marc Pircher fürs Cover seines neuen Albums. "Da ist die Zukunft", lenkt der Fotograf seinen Blick auf die Landschaft, die vor ihm liegt. So viel Weite hat Pircher in dieser Doku selten vor sich. Häufiger starrt er im Aufnahmestudio aus einem kleinen Fenster, während übers Handy Geschäftliches erledigt wird. Der "Schlagerstar" interessiert die Filmemacher vor allem als Arbeitstier, die Branche als Hamsterrad für strebsame Musikanten.

Über ein Jahr lang haben Marco Antoniazzi (Kamera) und Gregor Stadlober (Ton) Pircher begleitet, eine mittlere Fixgröße am Markt für volkstümliche und Schlagermusik. Die diskret beobachtende Kamera am Beifahrersitz, geht es vom Fernsehevent zur intimen Fanklubvisite und weiter ins nächste Bierzelt. Was unterwegs entsteht, ist weniger Künstlerporträt als die aufschlussreiche Innenansicht eines Gewerbes, das krisensicher ist, aber geprägt von Verteilungskämpfen und kulturellen Minderwertigkeitskomplexen. "Zuerst kommt die Mafia, dann kommt die Prostitution, dann die Volksmusik", entfährt es Pircher einmal im Frust. Sonst ist der Star duldsam und kundenfreundlich, vom Open-Air-Soundcheck bis zum Albenverkaufen am Merchandise-Stand.

"Schlagerstar" lebt wesentlich von Pirchers eigenartiger Ausstrahlung: Seine Naturburschen-Herzlichkeit ist gerade darin authentisch, dass sie nie verschleiert, Teil eines Geschäfts zu sein. (Part of the deal sind dabei auch boulevardpatriotische Ansagen gegen die da oben in Brüssel.) Die beinharte Disziplin, die zum unermüdlichen Nahkontakt mit den Fans nötig ist, merkt man Pircher manchmal als Verbissenheit an. Groß entzaubert muss hier trotzdem niemand werden. Am Ende: ein Stromausfall, aber die Show geht weiter.

Ab Fr im Kino

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