Kurt Weill ohne Weile, dafür schrill: "Mahagonny" an der Oper Graz

KRITIK: HERBERT SCHRANZ
STEIERMARK, FALTER 22/13 vom 29.05.2013

Die Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" (letzte Vorstellung 29.5., 19.30 Uhr), 1930 zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in Leipzig uraufgeführt, ist ein Werk "engagierter Kunst"; mit Zielen, die nach 1945 im Westen in ihrer Direktheit obsolet wurden. Sie zeigt eine Stadt, die mit allen Lustversprechen dazu antritt, Goldsuchern ihr Gefundenes abzuknöpfen. Spielt man so ein Werk, wie die Oper Graz, zur Zeit einer notdürftigst überstandenen Wirtschaftskrise, sollte man nicht hinter den Stand vorgestriger ästhetischer Versuchungen zurückfallen. Eine Dekonstruktion des Werks von Bertold Brecht und Kurt Weill wäre die Herausforderung, auch wenn beflissene Erben "Texttreue" erzwingen wollen.

Der spanische Regisseur Calixto Bieito endet aber platt direkt. Zuvor erzeugt ein niemals abreißendes Bühnentutti der ungeheuer vielen, schrillen Akteure -Huren, Zuhälter und ihre Opfer -ein kaum durchdringliches Dauerflimmern; nur Masse, nichts Privates -so weit, so gut. Praktisch jeder krebst auf den untersten Stufen der Maslow'schen Bedürfnispyramide dahin. Alle sind gleich, wenige sind "gleicher" und etwas einsamer, wie die Puffmutter Begbick (Fran Lubahn) oder der Priester "Dreieinigkeitsmoses"(David McShane). Nachdem der sehnsüchtige Digger Jim Mahoney (Herbert Lippert), weil er kein Geld hat, hingerichtet wird, dehnt sich das gleichmacherische Mahagonny "engagiert" auf den Zuschauerraum aus: "Wir alle sind Mahagonny!"; "Ich kaum", denkt sich da mancher.

Und die sinnlich-kühle Jazz-Aura von Weills starker Musik wird von den Grazer Philharmonikern unter Julien Salemkour zerhetzt.

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