Kommentar
Krieg ich nicht g’nua, dann amputier ich die Kultur
Das "Kulturprogramm“ des ORF
Verfolgte man die Proteste gegen den angekündigten Ausstieg des ORF beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, konnte man den Eindruck gewinnen, dieser sei der Fels, auf dem die ganze ORF-Kulturberichterstattung ruht: Würde er entfernt, stürzte das ganze öffentlich-rechtliche Gebäude unweigerlich ein.
Das ist natürlich Unfug (siehe auch den Kommentar auf Seite 27). Die schiere Ausstiegsandrohung ist denn auch kaum verstörender als das prinzipielle Vorgehen von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Der hatte ganz offensichtlich von Anfang an darauf gesetzt, dass die diversen Einsparungsankündigungen im Kulturbereich die Szene schon in gehörige Aufregung versetzen und einen entsprechenden Wirbel verursachen würden. Und es hat ja auch funktioniert. Büchner- und Nobelpreisträgerinnen meldeten sich nicht nur in Sachen Bachmann-Preis zu Wort, sondern protestierten auch gegen den geplanten Ausstieg bei den Musikprotokollen des Steirischen Herbstes.
Wrabetz’ Strategie, "Krieg ich die entgangenen Gebühren nicht refundiert, amputier ich die Kulturberichterstattung“, ist freilich so unwürdig wie die ganze Angelegenheit symptomatisch. In Wirklichkeit hat der ORF nämlich gar kein Konzept, welche Kulturberichterstattung er aus welchen Gründen haben möchte. Er begnügt sich damit, das schlecht und recht Bestehende schönzureden. Niemand kommt auf die Idee, neue und - gerade im Fernsehen - fehlende Formate (warum gibt es kein Filmmagazin, keine eigene Literatursendung, kein Poparchiv …?) zu fordern, am allerwenigsten ORF-Kulturchef Martin Traxl, von dem in den letzten Tagen, Monaten und Jahren deplorabel wenig zu hören war.