Von Trash bis Thriller
Die Kriminacht serviert in Kaffeehausatmosphäre Verbrechen für jeden Geschmack
Dass Mord und Totschlag im wahren Leben weit seltener vorkommen, als es das Geschehen in Kriminalromanen und -filmen nahelegen würden, ist eine Binsenweisheit. Noch einmal signifikant gesteigert wird die Verbrechensdichte im Rahmen der Kriminacht, wenn die Kaffeehäuser der Stadt, aber auch Orte wie das Casino in der Kärntner Straße oder die Hauptbücherei von Krimiautoren in Beschlag genommen werden.
Die vom Echo-Medienhaus schon zum neunten Mal ausgerichtete Veranstaltung hat sich schnell zum Fixpunkt im Eventkalender entwickelt. Auch heuer wieder präsentieren sich zahlreiche Vertreter der heimischen Krimiriege sowie eine Hand voll internationaler Gäste mit ihren aktuellen Büchern in gemütlicher Kaffeehausatmosphäre. Dabei wird das Feld des Krimis sehr breit gefasst: Vom humorigen Regionalkrimi mit Humor bis zum derben Trash, von der präzisen Milieustudie bis zum knallharten Thriller wird jeder Gusto bedient.
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Einer, den man bislang nicht bei der Kriminacht vermutet hätte, ist Michael Stavaric (Jg. 1972). Der österreichisch-tschechische Schriftsteller hat sich zwar in Romanen wie „Magma“, „Böse Spiele“ oder „Stillborn“ ausgiebig dem Rätselhaften und Bösen gewidmet und dabei gezeigt, wie dünn und brüchig das Eis der Normalität ist, aber nicht auf handfeste Art, sondern anspielungsreich und anspruchsvoll. Umso überraschender kommt sein neuer Roman „Königreich der Schatten“, mit dem er bewusst einiges an Anspruch über Bord geworfen hat und sich im Trashgenre versucht
Helden der Geschichte sind ein junger Mann und eine junge Frau – sowie Fleisch. Die beiden Figuren, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam zu haben scheinen, verbindet ihre Liebe zum Fleischhauerberuf. Und so geht es in dem Buch weniger ums Morden als ums fachgerechte Umbringen, Zerlegen und Verarbeiten vom Tieren. Aber auch Splatterelemente und sonderbare Fabelwesen spielen eine Rolle.
Der Plot an sich sei ihm gar nicht so wichtig, meint Stavaric. Er wollte mit seinem Roman vor allem starke Bilder erzeugen; ein Unterfangen, das durch die Zeichnungen von Illustratorin Mari Otberg unterstützt wird. Dass die ersten Rezensionen von „Königreich der Schatten“ wohlwollend waren, hat ihn dennoch überrascht: „Ich staune über den ersten Tenor, weil ich eher auf viel Negativkritik eingestellt war.“ Stavaric liest um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Morawa.
Auf Unverständnis trifft ab und zu Manfred Rebhandl (Jg. 1966). Der aus dem Oberösterreichischen in die Wiener Vorstadt zugewanderte Autor schreibt gänzlich anders gelagerten Schund zwischen Sexkino und Kifferhöhle, der manch einem dann doch zu derb und sexuell ist. Diese Leser freilich übersehen: Rebhandl zelebriert tiefe Schmähs auf hohem Niveau. Zudem hat sein Ottakringer Ermittler Rock Rockenschaub im Grunde ein gutes Herz.
Und das gilt so ähnlich auch fürs Rocks Erfinder, der über seine Bücher sagt: „Ich finde White-Trash-Geschichten, wo sich jemand um kleine Häppchen im Leben bemüht, viel interessanter als langweilige Leute aus dem 7. Bezirk. Manche halten meine Bücher für zu extrem und übertrieben. Aber es ist genau so, wie ich schreibe.“ Und er fügt hinzu: „Ich kann nix anderes als schweinisch schreiben.“ Darin hat er es dafür zu einiger Meisterschaft gebracht.
Rebhandl verschlägt es bei der Kriminacht in ein ihm völlig fremdes Terrain: die Josefstadt. Er liest um 19 Uhr im Café Hummel erste Kostproben aus dem Anfang Oktober erscheinenden neuen Rockenschaub-Krimi „In der Hölle ist für alle Platz“.
Hölle ist auch das richtige Stichwort für Donald Ray Pollocks Roman „Das Handwerk des Teufels“. In seinem 2011 veröffentlichten späten Debütroman schreibt Pollock (Jg. 1954) über menschliche Abgründe und die Hölle, die man nicht lange suchen muss, weil man sie oft direkt vor der Haustür findet. Bei dem US-Autor aus dem Bundesstaat Ohio ist die Provinz ein Hort der Grausamkeit. Er hat mit dem wuchtigen Roman ein Meisterwerk der Hoffnungs- und Trostlosigkeit verfasst, das man nur mehr mit Müh und Not im Krimigenre unterbringt.
Pollock, der gerade den ähnlich gelagerten Erzählband „Knockemstiff“ nachgelegt hat, ist um 20 Uhr im Café Landtmann zu hören, die deutsche Lesung aus seinem Roman übernimmt Karl Markovics.
Weitere Stargäste der Kriminacht sind der schottische Bestsellerautor Martin Walker (Hauptbücherei, 19 Uhr), das Londoner Thriller-Ehepaar Nicci French (Café Imperial, 19 Uhr) sowie der ebenfalls aus England kommende Thrillerschreiber Peter James (Café Schwarzenberg, 20 Uhr). Der Eintritt ist durchwegs frei, bei einigen Lesungen ist aber eine Reservierung erforderlich.
In den Wiener Kaffeehäusern, Di ab 17.00; www.kriminacht.at