Gelesen
Bücher, kurz besprochen
Das Volk, das sich nicht kennt
Ägypten kommt nicht zur Ruhe; erst kürzlich wurde das Verfassungsreferendum von blutigen Zusammenstößen überschattet. Um zu verstehen, welche politischen und gesellschaftlichen Fliehkräfte die aktuelle Situation so kompliziert machen, reiste der Politologe und Dokumentarfilmer Asiem El Difraoui durch das Land. El Difraoui beschreibt Menschen, die in dem zutiefst verunsicherten Staat das gute Leben suchen - oder zumindest ein besseres. Da ist zum Beispiel Amr Salama. Ein junger Mann, der seinen ungewöhnlichen Lebensweg erzählt: vom tiefgläubigen Salafisten zum gesellschaftskritischen Filmemacher. Er sagt: "Wir sind ein Volk, das sich nicht kennt.“ Oder die selbstbewusste Frauenaktivistin Nihal Saad Zaghloul. Sie kämpft gegen Gruppenvergewaltigungen, vor denen sich die Frauen im ganzen Land fürchten. El Difraoui verdichtet die Einzelschicksale mit Fakten, Geschichte und Analyse zu einem starken politischen Reisebericht durch ein Land im Umbruch. Sebastian Huber
Asiem El Difraoui : Ein neues Ägypten? Edition Körber-Stiftung, 261 S., € 16,-
Die nackte Wahrheit des Krieges
Ein "historisches Fundwerk von unüberbietbarem Quellenwert“ könnten die Fotos von der Front des Ersten Weltkrieges später einmal werden, schrieb Hans Müller schon 1915 in seinem Werk "Kunst im Felde“. Der Historiker Wolfgang Maderthaner hat aus den Fotoarchiven des Österreichischen Staatsarchivs ein genau solches zusammengestellt. Die "nackte Wahrheit der Landschaft und der Menschen“, wie Müller es nannte, ist oftmals eine zerstörte und verwundete, abschreckend und berührend zugleich. Barbara Tóth
Wolfgang Maderthaner: Untergang einer Welt. Der große Krieg 1914-1918 in Photographien und Texten. Brandstätter, 320 S., € 39,90