Ein Licht unter vielen Scheffeln
Als Betreuer des Wiener Tagblatt-Archivs war Eckart Früh eine Institution, die er nie sein wollte
Die Kindheit war schwierig: Der um mehr als 60 Jahre ältere, glaubensstrenge Vater stirbt, als der Bub 14 ist. Die Mutter muss aufgrund ihrer Depressionen mehrmals in die Klinik; wenn sie zu Hause ist, vergöttert sie den Frühbegabten, der Zuflucht in den Büchern findet. So beschreibt Manfred Dierks das familiäre Umfeld von Adolf Muschg. In seinem genauen, einfühlsamen Werk schildert er in zwölf Stationen den Aufbruch des Freigeists von der Enge des Elternhauses in Zollikon am Zürichsee in die Weite der intellektuellen Welt. Immer wieder flicht Dierks Querverweise zum literarischen Schaffen ein, das "von einem streng und raffiniert komponierten Japan-Roman ("Im Sommer des Hasen", 1965) hin bis zu einem gelassenen Weben von erzählerischen Assoziationsteppichen ("Löwenstern", 2012)" reicht. Alice Millers von Dierks oft zitiertes "Drama des begabten Kindes" scheint in Muschgs Fall ein glückliches Ende gefunden zu haben. SE
Manfred Dierks: Adolf Muschg - Lebensrettende Phantasie. Ein biographisches Porträt. C. H. Beck, 312 S., € 23,60
Ein eigensinniger Menschenschlag lebt auf dem Cap in der Bretagne, wo der Aargauer Andreas Neeser seinen neuen Roman "Zwischen zwei Wassern" angesiedelt hat. Hier treffen sich im Lokal von Jean gestrandete Künstlerexistenzen und nicht minder eigensinnige Fischer. Geredet wird nur das Notwendigste, Wein getrunken umso mehr. Der Erzähler, ein Geografielehrer aus der Schweiz, ist als Freund des Bildhauers Max immer wieder hier zu Gast.
Diesmal kommt er ohne seine Freundin, die im Vorjahr von einer Brandungswelle erfasst und getötet wurde, während er mit Verletzungen davonkam: In fünf Wochen versucht der Mann nachzuholen, was ihm in einem Jahr in der Schweiz nicht gelungen ist: zu trauern und sein Schicksal anzunehmen. Neeser findet für seine Trauerarbeit eine angenehm leise und doch kraftvolle Sprache, die nicht gekünstelt wirkt, aber dennoch über viele Nuancen verfügt. SF
Andreas Neeser: Zwischen zwei Wassern. Haymon, 176 S., € 17,90