Mediaforschung Verführungskolumne

Wie der Heute-Journalismus die Sachen auf den Punkt bringt

BENEDIKT NARODOSLAWSKY
Medien, FALTER 16/14 vom 16.04.2014

Eine Werbung der Zeitung Heute ist wie eine Matroschka, die russische Puppe in der Puppe: Das werbefinanzierte Gratisblatt wirbt um Leser, damit diese die Werbung im Gratisblatt lesen.

Reklame für noch mehr Reklame - kann man mit so einem mauen Angebot neues Publikum gewinnen? Nein. Deshalb versucht es Heute mit einem Schmäh. Im neuen TV-Spot empfiehlt der Kellner eines Nobelrestaurants näselnd das Dessert: "Und dann hätten wir noch die Crêpe maison à la confiture d'abricots, überzogen mit feinstem sucre glace.""Also Marillenpalatschinken", blattelt ihn die Gästin auf. "Ja", antwortet der Hochstapler peinlich berührt. Dann kommt der Slogan: "Heute bringt's auf den Punkt."

Was soll das heißen? Heute-Herausgeberin Eva Dichand meint damit "modernen Qualitätsjournalismus". Also, "Journalismus, der sich nicht mit unwichtigen Details aufhält, der klar sagt, was Sache ist, und nie um den heißen Brei herumredet. Journalismus, der Dinge auf den Punkt bringt."

Ein Schnelltest am Donnerstag: Auf der Heute-Titelseite drei Bilder des britischen Babyprinzen George, er spielt mit zwei kleinen Mädchen. Auf dem dritten Bild weint eines davon. Schlagzeile: "Pleite beim ersten Date. Briten-Prinz George blitzt ab." So kann man Dichands "Nicht mit unwichtigen Details aufhalten" auch auf den Punkt bringen. Selbst auf Seite eins.

Diese Kolumne in Heute-Länge auf den Punkt gebracht: Heute hat einen neuen TV-Spot. Darin veräppelt eine Gästin einen Kellner. Und Heute die Zuseher. Mehr dazu im Falter.

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