Waldmeister!

Während der letzten Wochen waren – vermutlich einem Sportereignis zuschulden – ungewöhnlich viele Länderflaggen in der Stadt zu sehen.

Peter Iwaniewicz
FALTERS ZOO, FALTER 29/14 vom 15.07.2014

Zeichnung: Bernd Püribauer

Während der letzten Wochen waren – vermutlich einem Sportereignis zuschulden – ungewöhnlich viele Länderflaggen in der Stadt zu sehen. Übrig geblieben ist nur die Trikolore Deutschlands, die oft auch durch das Wappentier, den einköpfigen Adler, ergänzt wird.

Leider frönen nur mehr Menschen wie Sheldon Cooper der Vexillologie, der Lehre vom Fahnenwesen, wodurch interessante Details über optische Signale von Gemeinschaften verlorengehen. So tragen beispielsweise nur zwölf der 194 von der Uno offiziell anerkannten Staaten ein Tier in der Fahne. Und wiederum nur ein Land, nämlich Mexiko, hat sogar zwei: einen Adler, der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange frisst. Faszinierend, würde Spock sagen.


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Mehr Tiere sind auf den Wappen zu sehen. Quasi das Nationaltier Deutschlands ist der sogenannte Bundesadler, der in der Bonner Republik als großes Wandrelief im Plenarsaal des Bundestages hing. Die manchen etwas zu füllig ausgeführte Skulptur bekam bald den Beinamen „Fette Henne“. Diese Abweichung vom Ideal war auch einer für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Laissez-faire-Haltung in der Heraldik geschuldet. Denn im Gegensatz zu den meisten Ländern wird offiziell für das Wappentier nur ein Gestaltungsrahmen vorgegeben. Details sind nicht fest geregelt, es heißt sogar ausdrücklich: „Die künstlerische Ausgestaltung bleibt für jeden besonderen Zweck vorbehalten.“

Weniger Spaß verstehen unsere nordischen Nachbarn bei Ordnungswidrigkeiten, wie zum Beispiel beim Aufhängen der Bundeswappenflagge (also der Trikolore mit Adler) an Privathäusern. Denn diese Beflaggung ist nur Dienstgebäuden einer Bundesbehörde vorbehalten und ein Zuwiderhandeln wird durch ein eigenes „Verunglimpfungsverbot“ mit Freiheits- und Geldstrafe bedroht.

Doch so etwas würde all jene Bundesbürger kriminalisieren, die in ihrer sportlichen Ekstase eine solche Fahne als Fensterdekoration verwenden. Aber auch hier ist man in Deutschland wenig bürokratisch und verfügte als Bundesregierung: „In Zeiten eines nationalen Großereignisses kann die Nutzung der Bundesdienstflagge jedoch als Ausdruck der nationalen Verbundenheit als ‚sozialadäquat‘ geduldet werden.“ So sind sie halt unsere Freunde: mal korrekt, mal sozialadäquat, mal nur Zweiter, dann wieder Waldmeister! Oder wie auch immer der Titel heißt, den sie jetzt gewonnen haben.

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