Von Tauben, Menschen und der Banalität der Existenz

FALTER:Woche, FALTER:Woche 52/2014 vom 24.12.2014

Alle sieben Jahre macht Roy Andersson einen Film über den Menschen: Nach "Songs from the Second Floor"(2000) und "Das jüngste Gewitter" (2007) beschließt er seine "Trilogie über das Menschsein" nun mit "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach". Das neue Werk setzt die ungewöhnliche Filmkunst des schwedischen Regisseurs fort: Erneut präsentiert er eine Sammlung skurriler Szenen und Episoden, in denen Schauspieler mit bleich geschminkten Gesichtern seltsam verlangsamt agieren. Das titelgebende Motiv der Taube zieht sich wie ein roter Faden durch den Film, ebenso wie der Satz "Es freut mich zu hören, dass es euch gut geht".

Wollte man die 39 versammelten Szenen in ihrer Gewichtung dem Bild gleichsetzen, das Andersson von seiner Spezies hat, wäre dieses ein erbärmliches: Drei kleinen Geschichten über den Tod folgt die Erzählung erfolglosen Strebens, einsamen Trinkens, enttäuschter Liebe, von Krieg und der Grausamkeit des Homo sapiens. In kleinen Dosen mischen sich zwischenmenschliche Nähe, Leidenschaft und Freude darunter. All das zeigt Andersson jedoch nicht in einer dem grinsenden Horror der österreichischen Satire anverwandten Weise, sondern mit traumhaft-gleichmütiger Distanz, die mitunter an die Filme eines Luis Buñuel denken lässt. Ein Augenschmaus ist das Raumkonzept mit wunderbarer Tiefenschärfe und an Gemälde erinnernden Sets, die jeweils in einer statischen Einstellung gefilmt wurden.

Am Ende ist Mittwoch an einer Bushaltestelle: Liebevoll und schaurig lässt Andersson die Ahnung von der Banalität der menschlichen Existenz durch die Szenerie wehen, im Off gurrt eine Taube dazu. Ein im besten Sinne sonderbarer Film, der heuer in Venedig den Goldenen Löwen erhielt.

Ab Fr in den Kinos (OmU im Filmcasino)

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