Der Erinnerungsstrom auf dem Wanderweg

FALTER:Woche, FALTER:Woche 3/2015 vom 14.01.2015

So gut man sich auch auf die Route vorbereite, auf die ständigen Schmerzen könne man sich nicht einstellen, heißt es einmal in "Der große Trip". Nicht nur der riesige Rucksack - von Mitwandernden "das Monster" getauft -gräbt sich ins Fleisch der jungen Frau, die allein auf dem Pacific Crest Trail an der Westküste der Vereinigten Staaten unterwegs ist: Auch Zehennägel müssen dran glauben, nachdem die Wanderschuhe sich als zu klein erweisen. Doch Cheryl Strayed ist eine willensstarke Frau - und sie hat Schmerzen zu überwinden, die größer als die physischen sind. Nach einem Todesfall, Drogenproblemen und ihrer Scheidung möchte die ehemalige Studentin und Feministin bei einer dreimonatigen Wanderung zu sich selbst zurückfinden.

Jean-Marc Vallée hat mit "Der große Trip" das autobiografische Buch "Wild: From Lost to Found on the Pacific Crest Trail" der amerikanischen Autorin Cheryl Strayed verfilmt. Die körperlichen Anstrengungen verbinden sich darin mit ihrer inneren Entwicklung: Während aus einer unerfahrenen ängstlichen Frau eine selbstbewusste Wanderin wird, zieht ein Erinnerungsstrom vorbei, an dem Strayed sich abarbeitet. Durch nicht chronologische Flashbacks, Voice-over, Gespräche und Sprüche in Gästebüchern gewinnen die Zuseher Einblick in die Vergangenheit und Gefühlswelt der Protagonistin.

Vallées Film will dabei aber keine emotionale Verschmelzung des Publikums mit den Figuren erreichen oder ein psychologisches Porträt erstellen: Reese Witherspoon (deren Filmgesellschaft diesen Film auch produzierte) in der Hauptrolle verkörpert in diesem unkitschigen, interessanten Werk eine Individualistin, deren Handlungen und Gedanken so nachvollziehbar sind oder so fremd bleiben wie die einer realen Person.

Ab Fr in den Kinos (OF im Artis)

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