Cineastischer Selbsttest aus Schweden
Es soll ein Luxusurlaub in den französischen Alpen werden: Vater, Mutter, Tochter und Sohn sind zum Skifahren aus Schweden angereist. Doch am zweiten Tag geschieht Überraschendes: In einer Gefahrensituation reißt Ebba ihre Kinder an sich -Tomas hingegen nimmt in Panik Reißaus. Alle kommen mit dem Schrecken davon, aber das Verhältnis der Ehepartner ist angeknackst. Der Bruch im Familiengefüge greift auch auf ein befreundetes Paar über.
Ruben Östlunds "Höhere Gewalt" (Titel im Original: "Turist") ist ein durchstrukturiertes Kammerspiel, das einen Zeitraum von fünf Tagen umfasst. Allerdings geht es ihm nicht um die Geschichte dieser speziellen Familie -zu dürftig sind die Informationen über ihren Alltag. Östlund konzentriert sich auf das Schockerlebnis und seine Konsequenzen. Schweigen, Lachen und Leugnen folgen quälende Gespräche, Distanzierung und Verzweiflung. Sound, Musik und Bilder unterstreichen die Stimmung: Fremdartiges Donnern hallt durch die Nacht, immer wieder wird Vivaldis "Sommer" angespielt. Einsame Skilifte und Hoteleinrichtungen spiegeln den Sturz in eine Krise wider.
Mit fortlaufender Handlung stellt sich "Höhere Gewalt" als ein cineastischer Selbsttest für das Publikum heraus. Das Verhältnis der Geschlechter, Vorstellungen von Familie und Ehe werden abgeklopft: Erzeugt es Mitgefühl, Scham oder gar Komik, einen Mann hysterisch weinen zu sehen? Ist es ein angenehmes oder veraltetes Bild, wenn ein Mann eine Frau auf seinen Armen trägt? Ist es dasselbe, ob eine Frau oder ein Mann in Panik gerät?
Östlund hält sich heraus, während er Bilder zu Fragen formt. Das Ergebnis ist kein sehr angenehmes, aber eine hochspannende Tour de Force: Aus der Sicherheit des Kinosessels mag sie sogar als rabenschwarze Komödie zu lesen sein.
Ab Fr in den Kinos (OmU im Top un Votiv)