Ein Wiener Label als wichtige Free-Jazz-Adresse
Das Wiener Label Trost Records hat sich samt seiner Reissue-Abteilung Cien Fuegos zu einer wichtigen Adresse in Sachen Free Jazz gemausert. Das Vertrauen, das Trost mittlerweile in der Szene genießt, lässt sich an drei hochkarätigen aktuellen Veröffentlichungen gut ablesen.
Der fantastische Archivfund "First Recordings" macht den Startschuss - April 1972 -des Schlippenbach Trio zugänglich. Das ausladende Eröffnungsstück "Deals" mag mitverantwortlich für die Langlebigkeit dieser Formation sein. Was Alexander von Schlippenbach (Klavier), Evan Parker (Saxofon) und Paul Lovens (Schlagzeug) hier für eine Ausdrucksbandbreite entwickeln, reicht für jahrzehntelange Auslotung. Eine Sternstunde, die ab sofort zum klassischen Kanon dieser Musik gehört.
Gute 40 Jahre später gehen The Thing & Thurston Moore auf "Live" kurz und schmerzvoll ans Werk. Die gerne als Kraftlackelverband bezeichneten Schweden bringen ab Minute vier das Londoner Café Oto hörbar zum Wackeln, der Sonic-Youth-Mann ist nicht unbedingt spielentscheidend, steuert aber Facetten und Lärm zu einem jenseitig intensiven Gemetzel bei.
"Two City Blues 2" verewigt das bislang einmalige Gipfeltreffen von Peter Brötzmann, Keiji Haino und Jim O'Rourke. Haino liefert anfangs via Shamisen, einem dreisaitigen Lauteninstrument, und als Vokalist eine sehr originelle Bluesdeutung, die seine Mitspieler respektvoll begleiten, bevor sie sich mehr Raum verschaffen. Das Fehlen einer Rhythmusachse gibt dem Trio viel Platz für beständig variierende Kombinationen, die über 50 Minuten ohne tastende Leerläufe spannend bleiben. Alle drei spielen bestechend einfallsreich, aber Haino, der auch zur Gitarre greift, ist das klare Zentrum dieser aufwühlenden, trotz fehlenden Gefühlsdusels sehr bewegenden Darbietung. Der erste Part dieses lebensbejahenden Blues ist separat auf Vinyl erhältlich.