Karriere, Affäre und religiöser Fanatismus
Bei der Lektüre von Ian McEwan hat man die Gewissheit, keinem Alter Ego des Autors bei der Bewältigung einer Schreibblockade beistehen zu müssen. In seinen Romanen steht die Handlung vor den Figuren, deren Charaktere sich eher in Dialogen offenbaren als in der Ausleuchtung der Tiefe ihrer Seelen. Dafür lernt man eine Menge über Berufswirklichkeiten, von denen man davor wenig wusste, etwa jene des Neurochirurgen (in "Saturday"). Seinem bereits 13. Roman "Kindeswohl" legt der Bestsellerautor ein hochaktuelles Thema zugrunde: religiösen Fanatismus.
Nebenbei erfährt man, womit sich eine Familienrichterin am High Court of Justice täglich herumzuschlagen hat - mit langweiligen Akten genauso wie brisanten gesellschaftlichen Fragen. Fiona Maye ist 59 Jahre alt und steht am Zenit ihrer beruflichen Karriere, als ihr Mann ihr den Vorschlag macht, eine Affäre mit einer um mehr als 30 Jahre jüngeren Statistikerin mit Vorliebe für Stilettos zu dulden. Sie wirft ihn kurzerhand aus der Wohnung und lässt das Schloss wechseln. Diese etwas abgeschmackte Idee gibt glücklicherweise nur den Rahmen des eigentlichen Plots ab.