Vor 20 Jahren im Falter Wie wir wurden, was wir waren
Nullreaktion
Das kommt Ihnen bekannt vor? Gewiss. Schon 1995 plädierten reiche Österreicher (Frauen waren keine dabei) auf Anfrage dafür, eine Solidarabgabe zu leisten, statt die Ärmsten per Massensteuern und Sparpaketen zu schröpfen. Von Anwalt Gabriel Lansky bis Immobilienhändler Günther Kerbler, von Werber Max Palla bis Wein-&-Co-Gründer Heinz Kammerer, von GGK-Chef Hans Schmid bis Ankerbrot-Chef Helmut Schuster waren sich alle einig: Wir zahlen gern.
Weniger menschenfreundlich ging es im Feuilleton zu. Hans Ulrich Reck, Kommunikationsprofessor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, rechnete mit Alfred Hrdlicka ab, der Monate zuvor Wolf Biermann einen Trottel geheißen und ihm "die Nürnberger Rassengesetze an den Hals" gewünscht hatte. Reck nannte das "ein Plädoyer für die Wiedereinsetzung systematischer Extermination und des Holocaust, das in zahlreichen Ländern den Tatbestand der gravierenden Verletzung von Strafgesetznormen erfüllt" und meinte, "der Ruf der Hochschule erleide damit eine weiteres Mal eine ungeheure, möglicherweise finale Schädigung."
Er forderte die sofortige Suspension Hrdlickas, die natürlich niemals erfolgte. Reck schrieb: "Keine disziplinarische Untersuchung, sondern nur eine unmittelbar wirksame und endgültige Suspendierung von Hrdlicka sowie die Entfernung seiner in ihrer fatalen Verstrickung in die Faszination am Grauen endgültig lesbar gewordenen Kunstwerke aus allen öffentlichen Räumen kann den international drohenden Zerfall des Rufs der Hochschule für angewandte Kunst Wien noch entgegenwirken. Darüber hinaus wäre solches eine selbstverständliche Pflichtwahrnehmung in einer wie hilflos auch immer, so doch auf menschliche Werte hin orientierten Kultur. Hrdlicka hat sich unzweifelhaft kenntlich und damit in allen staatlichen, künstlerischen, pädagogischen und öffentlichen Funktionen unmöglich gemacht."
Recks Text war zuvor wochenlang beim Standard gelegen, ehe ihn der Falter druckte. Reaktion? Keine.