Sibiria & American Dream: die Doku "Red Army"
Sportgeschichte kann eine trockene Angelegenheit sein, insbesondere wenn Special-Interest-Gruppen das Zielpublikum darstellen. Solcherart Aufbereitung ist Gabe Polskys Dokumentarfilm "Red Army - Legenden auf dem Eis" allerdings nicht. Das Glück des US-amerikanischen Sohns sowjetischer Einwanderer ist die gesellschaftliche Bandbreite seines Themas: Das Porträt der legendären sowjetischen Eishockey-Nationalmannschaft ist gleichzeitig eine Geschichte über die Sowjetunion und den Kalten Krieg, die bis in die Gegenwart reicht.
Hauptperson ist der ehemalige Teamkapitän Slawa Fetissow, dessen ungewöhnliches Leben "Red Army" nachzeichnet. In einer landesweiten Suche nach den größten Talenten ins Team aufgenommen, stieg er unter dem diktatorischen Trainer Wiktor Tichonow zum Kopf der umjubelten "Russian Five" auf. In seinem späteren Kampf, in der NHL spielen zu dürfen, wurde ihm mit Sibirien gedroht, bis er nach einem steinigen Weg seinen American Dream erfüllt sah. Nach Russland zurückgekehrt, wandte er sich unter Wladimir Putin der Politik zu.
Polsky gelingt es nicht nur, wechselvolle Sportlerkarrieren zu beleuchten, auch Reflexionen zum Individuum in Kommunismus und Kapitalismus und die ganze Bandbreite an Gefühlen zwischen Ehrgeiz und Pflichtgefühl, Freundschaft und Wut, Patriotismus und Enttäuschung finden in seiner Doku Platz.
Ein wunderbares Extra ist der spitzbübische Charme, mit dem er das vertrauensvolle, aber launig-raue Verhältnis zwischen Filmemacher und Porträtierten einfließen lässt: "Gabe, this is not a proper question", sagt Slawa da schon einmal in die Kamera. Und auch die kleine Enkelin des Ex-KGB-Agenten, die die Erzählung unterbricht, wird nicht als Störelement herausgeschnitten.
Ab Fr im Votiv (OmU)